Diabetische Osteoarthropathie (Morbus Charcot)

25. Februar 2015

Die Erkrankung Morbus Charcot geht auf den französischen Neurologen Jean-Martin Charcot (1825 – 1893) zurück, der sie erstmalig bei Kranken mit Nervenschädigung der Füße und Beine (Polyneuropathie) beschrieb. 90 Prozent aller Erkrankten haben einen Diabetes mellitus. Mit einer Neuerkrankungsrate unter allen Menschen mit Diabetes mellitus von etwa 0,25 bis 1 Prozent pro Jahr ist sie relativ selten.

Welche Ursachen sind bekannt?

Ursache und Voraussetzung für diese Erkrankung ist eine Nervenschädigung (Polyneuropathie). Diese kann  bei über Jahre schlecht eingestelltem Diabetes und / oder chronisch übermäßigem Alkoholgenuss auftreten.  Da das Fußgewölbe bei Überlastung nicht schmerzt,  spüren die Patienten die Überlastung nicht und laufen weiter. Insbesondere bei  übergewichtigen Patienten kommt es zu spontanen  kleinsten Verletzungen an Knochen und Gelenken. Die daraus folgende Entzündungsreaktion steigert den  Abbau von Knochensubstanz. Weitere  mechanische Überlastung erzeugt weitere Knochenbrüche und Fußdeformierungen. 

Da sich die Polyneuropathie (PNP) strumpfförmig von den Zehen aufwärts entwickelt, ist meistens der Vor- oder Mittelfuß beteiligt. In selteneren Fällen kann aber auch der Rückfuß  oder sogar der untere Unterschenkelbereich betroffen sein. Wenn die Erkrankung nicht durch absolute Druckentlastung gestoppt wird, entstehen teilweise groteske Fußdeformierungen. Das Fußgewölbe bricht ein, es entstehen massive Knochenverschiebungen und letztlich eine komplett zerstörte Fußarchitektur mit einem sogenannten „Tintenlöscherfuß“. Dieser ist auch nach Abflauen der akuten Entzündung  kaum noch ausreichend mit orthopädischen Maßstiefeln zu versorgen und muss dann häufig operativ korrigiert werden.

Symptome

Typisch für den Beginn dieser Erkrankung  ist eine trotz Polyneuropathie (PNP) oft schmerzhafte plötzliche Formveränderung des Fußes. Er schwillt an, ist gerötet und die Temperatur  erhöht sich um einige Grad Celsius, ohne dass eine äußere Wunde oder bakterielle Entzündung besteht.  Beim Röntgen zeigen sich im weiteren Verlauf oder sofort  typische Knochenbrüche und bei wiederholten Krankheitsschüben auch degenerative Gelenksveränderungen.

Wie erfolgt die Diagnosestellung?

Eine sichere Diagnose kann nur bei einer Magnetresonanztomographie gestellt werden. Dann sind Reizflüssigkeiten als Reaktion auf die Überlastung und die kleinsten Knochenverletzungen innerhalb der Fußknochen deutlich erkennbar.

Welche Therapien werden empfohlen?

Um weiteren Schaden zu vermeiden, muss das Fußgewölbe sofort entlastet werden. Dazu werden spezielle Halteschalen (Orthesen) wie bei einem komplizierten Knochenbruch verordnet. In ausgeprägten Fällen erfolgt die stationäre Aufnahme zur akuten Druckentlastung mit eingeschränkter Bettruhe, Lymphdrainage und Mobilisierung zunächst nur im Rollstuhl. Die Entlastung muss solange eingehalten werden, bis die Temperaturunterschiede zwischen linkem und rechtem Fuß ausgeglichen sind.

Lymphdrainage und Kompressionsstrümpfe können die Abschwellung unterstützen. Dann kann Maß genommen werden und können hohe orthopädische Maßstiefel mit Spezialzurichtung (individuelle Entlastungseinlagen nach unbelastetem Fußabdruck, eingesteifter Sohle und Mittelfußrolle) gefertigt werden. Diese sollen den Druck möglichst gleichmäßig auf die Fußsohle und den Fuß verteilen. Mit diesen hohen Maßstiefeln kann dann nach einem Sicherheitsabstand von mindestens zwei weiteren Wochen die Belastung unter Kontrolle der Fußtemperatur wieder gesteigert werden.  Im Durchschnitt benötigt man sechs Monate, bis die Akutphase beendet ist  und die Aufbelastung wieder beginnen kann. Wichtig für den weiteren Verlauf ist die optimale Druckverteilung durch Tragen von Spezialstiefeln in jeder Lebenslage (Sommer-, Winter- und Haus-Stiefel).

 

Autor:
Dr. Jürgen Wernecke, Chefarzt Diabetologie/Geriatrie, AGAPLESION DIAKONIEKLINIKUM HAMBURG