Tiefgreifende Entwicklungsstörungen

24. Februar 2015

Über Kinder mit „autistisch“ anmutenden Störungsbildern wurde schon vor 200 Jahren berichtet. Bis in die vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts galten diese Kinder vielfach als infantil-psychotisch, bevor KANNER und ASPERGER diesen Störungstyp näher charakterisierten. Ersterer beschrieb den Empathiemangel von kognitiv beeinträchtigten, letzterer den von besser leistungsfähigen Kindern.

Heute wird diese Unterscheidung nicht mehr durchgehend verwendet. Der Begriff „Autismus“ entstammt der irrigen Vorstellung, das betroffene Kind ziehe sich in ein außergewöhnlich reiches Fantasieleben zurück (BOSCH 1970); ganz im Gegenteil haben sich aber der Konkretismus und die eingeschränkte Vorstellungskraft als die Hauptsymptome des Autismus-Spektrums erwiesen.

1. Symptome
Die Diagnose einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung wird gestellt, wenn eine Reihe von Symptomen zusammentrifft:

  1. Mangelndes Einfühlungsvermögen
    Vorstellungen, Wünsche und Absichten bestimmen die Handlung (Aktion) eines Individuums. Geht es darum, gemeinsam zu handeln (Inter-Aktion), dann versuchen wir, uns die Vorstellungen, Wünsche und Absichten unseres Gegenübers vorzustellen, ihn zu verstehen und die eigenen Handlungen darauf abzustimmen. Dies gelingt uns mehr oder weniger gut, je nach Übung, Tagesform und Gegenüber. Menschen, die sich nicht einfühlen können, sind in ihrem sozialen Handeln, d. h. in Kommunikation und Interaktion, behindert. Ihre Mimik und Gestik wirken ausdrucksschwach, der Gesprächsverlauf unflexibel, der Blickkontakt fehlt, und das übliche Frage-Antwort-Spiel wird als steif empfunden. Stattdessen sprechen die Betroffenen monoton, monologisieren, wiederholen sich oder andere (Echolalie), bilden neue Worte und sprechen „sparsam“. Betroffene Kinder äußern ihren Wunsch schreiend oder führen die Hand des Gegenübers zum gewünschten Objekt. Die Kinder verdrehen Personalpronomen („du“ oder „er“ statt „ich“). Imitation und spontanes Rollen- bzw. Puppenspiel misslingen. Diese Kinder wirken unruhig, wenig bei der Sache, sozial unreif und wenig emotional. Sie kümmern sich kaum um andere und nehmen deren Bedürfnisse – und teilweise auch persönliche Grenzen – kaum wahr. Sie sind teilweise selbst- oder fremdaggressiv. „Stellen Sie sich vor, wie irritierend und erschreckend eine Welt wäre, wenn Sie andere Menschen nicht als geistvolle Menschen, sondern als fremdartige Hautsäcke wahrnähmen, die sich zufällig und unvorhersehbar bewegen“ (GOPNIK, MELTZOFF, KUHL 1999). Fehlendes Einfühlungsvermögen (Empathie) ist ein besonderes Kennzeichen der tiefgreifenden Entwicklungsstörung. Es findet sich aber auch bei anderen Störungen, z. B. einer Bindungsstörung und einer geistigen Behinderung.
  2. Eingeschränkte Interessen und Wiederholungsverhalten
    Die Betroffenen verfolgen mitunter Sonderinteressen (z. B. Straßennamen, Staubsaugen); die Interessen können durchaus altersangemessen sein, unterscheiden sich jedoch durch die Intensität, die Aufmerksamkeit für Details von Objekten und ein geringes  Interesse an Personen. Wiederholungsverhalten ist häufig zu beobachten, z. B. Stereotypien (sich andauernd wiederholende Bewegungsmuster) mit Fingern, Händen, Armen, Beinen, Springen, sich Wiegen oder gleichförmig wiederholter Gebrauch von Gegenständen. Diese Rituale sind keine Zwänge, welche die Betroffenen beunruhigen würden, und die Betroffenen wollen damit auch nicht aufhören. Zwangsstörungen (Wasch-, Zähl- und Kontrollzwänge) sind bei Autisten nicht üblich, können sich aber zusätzlich entwickeln. Sehr früh können außergewöhnliche Reaktionen auf Sinnesreize (Gerüche, Berührungen, optische oder akustische Reize) beobachtet werden. Die Betroffenen können schlecht mit Veränderungen oder Unvorhergesehenem umgehen (Dies geht geistig behinderten Kindern häufig auch so.)
  3. Leistungsschwächen
    Kinder mit diesen schwerwiegenden sozialen Schwächen sind regelmäßig auch in Aufmerksamkeit und Konzentration eingeschränkt und infolgedessen häufig auch lernschwach. Auch die Sprachentwicklung ist beeinträchtigt: Normalerweise werden Worte nicht nur mit ihren semantischen Bezügen gespeichert, sondern auch mit ihrem übrigen Kontext; diesen nutzen Betroffene aber weniger, so dass ihre Sprache schlechter organisiert ist.
  4. Epileptische Anfälle
    Häufiger als bei anderen Kindern können – vor allem im Jugendalter – epileptische Anfälle auftreten.

2. Bedingungen und Ursachen

Drei Bedingungen führen zu ähnlichen Symptomen: Zunächst sind angeborene Erkrankungen zu nennen, z. B. das Rett-Syndrom, das Fragile-X-Syndrom, das Velo-kardio-faziale Syndrom, die Neurofibromatose Recklinghausen, die tuberöse Hirnsklerose, Stoffwechselerkrankungen (Phenylketonurie, Mukopolysaccharidosen, zerebrale Lipoidosen, Leukodystrophie), Erkrankungen mit Epilepsien (Landau-Kleffner- Syndrom), perinatale Komplikationen, schwere Hör- und Sehstörungen und geistige Behinderung.
Das Einfühlungsvermögen hängt auch von den kognitiven Funktionen, u. a. der Sprachfähigkeit, ab. Bei vielen geistig behinderten Kindern finden sich ebenfalls soziale und nonverbale Defizite. In diesem Fall wird die geistige Behinderung als führende Diagnose genannt, und soziale Schwächen, die sich aus der intellektuellen Schwäche erklären, werden aufgeführt, ohne die zusätzliche Diagnose einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung zu vergeben. Die Angaben über die Störungshäufigkeit schwanken.

Im Zuge genauerer Diagnostik stieg die Zahl von 6 bis 9 auf bis zu 45 / 10.000. 10 bis 15 Prozent davon gehen auf Stoffwechselstörungen, Hör- und Sehstörungen etc. zurück, mindestens 5 Prozent auf chromosomale Störungen. Zudem wurde erkannt, dass die Neurofibromatose Recklinghausen und die tuberöse Hirnsklerose viel häufiger sind als früher angenommen. Schwer deprivierte Kinder entwickeln ähnliche Symptome. Hier ist die reaktive Bindungsstörung die angemessenere Diagnose (KANNER hat zwischen beiden Störungen noch nicht differenziert). Ähnlich geht es Kindern, deren Entwicklungsraum durch schwer psychisch gestörte Bindungspersonen chronisch beeinträchtigt ist (RUTTER et al. 2007). Abzugrenzen sind auch Kinder mit Sonderbegabungen („Wunderkinder“, „savants“).

Sie haben:

  1. andere Frühbiografien,
  2. werden frühzeitig in Einzelinteressen gefördert, und
  3. ihre Fähigkeiten können sie nur ausbilden und aufrechterhalten, wenn sie seit frühester Kindheit täglich außergewöhnlich viel, qualitativ gut und in gewisser Weise auch „rigide“ üben. Derart werden auch Konzentration und Motivation, Arbeits- und Langzeitgedächtnis besonders trainiert. Dies ist durchgehend bei Hochleistungssportlern, Musikern, Schachspielern oder Kopfrechnern zu finden.
  4. Sozialkontakte müssen dafür zwangsläufig eingeschränkt werden, und die Betreffenden bilden teilweise besondere Techniken aus, um sich von Ablenkungen – vor allem sozialer Art – fernzuhalten. Dies kann in Einzelfällen durchaus einer sozialen Deprivation gleichkommen und bei weiteren Entwicklungsrisiken zu psychosozialen Störungen führen.
  5. Nicht selten verfügen diese Kinder auch über besondere Fähigkeiten in der Wahrnehmungsverarbeitung. Die sogenannte Synästhesie ist die angeborene Verknüpfung unterschiedlicher Sinneseindrücke, z. B. Klänge mit optischen Eindrücken oder Buchstaben bzw. Zahlen mit Farben; auch ein fotografisches Gedächtnis oder ein absolutes Gehör zählen dazu.

3. Neurobiologischer Forschungsstand

Wegen der Heterogenität dieser Störung sind keine einheitlichen neurobiologischen Befunde zu erwarten. Zudem wissen wir noch wenig über die Funktion des Gehirns und die neurologischen Äquivalente sozialer Fähigkeiten. Als noch nicht erforscht gelten der frühe Beginn der Störung, die Geschlechtsverteilung sowie die Assoziation mit geistiger Behinderung und Anfällen. Dieser unsicheren Erkenntnisgrundlage entsprechen die unterschiedlichen und z. T. widersprüchlichen Befunde aus der morphologischen Forschung am Gehirn gestorbener Betroffener: Statistisch gesehen lassen sich etwas gehäuft Verletzungen nachweisen, und es gibt Tendenzen zu einem etwas kleineren Gehirn bzw. Teilen davon; bisweilen fällt eine ungewöhnliche Verteilung der Nervenzellen auf; keine dieser Auffälligkeiten sind jedoch beim einzelnen Kind obligatorisch.

In jedem zweiten Falle ist das EEG auffällig, ohne dass bisher typische Gehirnregionen gefunden wurden. Berichte darüber, dass ein Subtyp von Kindern die spezifischen Störungen infolge der Anfälle bzw. infolge der antiepileptischen Medikation entwickelt, konnten nicht sicher bestätigt werden. Von den neueren bildgebenden Funktionsverfahren verspricht man sich viel, allerdings haben weder das Positronenemissionstomogramm (PET) noch die Event-related Potentials Entscheidendes gefunden. Allgemein können – mit einer erheblichen Bandbreite – sowohl die Hirnrinde als auch subkortikale Strukturen betroffen sein.

Dabei ist offen, ob diese Störungen primär oder sekundär sind, wie sie zusammenhängen und ob sie mit den Symptomen zu tun haben. Neurochemisch wurde bei einem Drittel der Betroffenen erhöhtes Serotonin im peripheren Blut gefunden. Dies gilt aber auch für geistig Behinderte. Im Gehirnwasser (Liquor) wurden dagegen keine erhöhten Abbauprodukte von Neurotransmittern gefunden. Die Idee, dass der Serotoninstoffwechsel gestört sein könnte, stammt v. a. aus der Tatsache, dass Tics und Stereotypien durch medikamentöse Serotonin- Wiederaufnahmehemmer gedämpft werden können.

4. Diagnostik

Viele Eltern bemerken schon im ersten Lebensjahr ihres Kindes, dass es weniger lautiert bzw. spricht und sich beim Essen und Schlafen oder in der Regulation von Spannungen und Gefühlen auffällig verhält. Der Vergleich mit einem unauffälligen Geschwisterkind beschleunigt die Diagnose. Vor dem dritten Lebensjahr tritt eingeschränktes oder repetitives Verhalten häufig noch nicht klar zutage. Sehr früh gibt es ungewöhnliche Reaktionen auf Sinnesreize. Die Kleinkinder sind kommunikativ schwach und daneben relativ besser bei Alltagsanforderungen und in der Motorik. Für die Diagnose der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen wird verlangt, dass sie vor Abschluss des dritten Lebensjahres beginnen.

Die frühkindliche Diagnostik gestaltet sich allerdings schwierig: Die Eltern, welche ihre erzieherischen Fähigkeiten selbst erst im Laufe der Zeit ausbilden, können nur schwer zwischen einer kindlichen und einer Eltern-Kind-Interaktionsstörung unterschieden. Selbst Pädagogen oder Therapeuten bedürfen eines speziellen Trainings, um schon im Kleinkindalter die weite Spanne einer normalen Entwicklung von einer Verzögerung oder einer Behinderung zu unterscheiden. Daher finden sich in der häufig langen Reihe von Helfern immer eine Reihe von Diagnosen, die nur Einzelaspekte ansprechen („Dissozialität“, „Hyperkinese“, „zerebrale Dysfunktion“ u. ä.). Das betroffene Kind muss in verschiedenen Umgebungen (zu Hause, im Kindergarten oder der Schule, in der Freizeit) und wegen der Tragweite der Diagnose gegebenenfalls auch (teil-) stationär beobachtet werden. Hinweisend kann auch die Reaktion der Umgebung sein. Normale Kleinkinder setzen beim Erzählen häufig ein Kontextwissen auch beim unbekannten Gegenüber voraus: („Maria hat...“ anstelle von „Maria, meine Tante, hat...“). Gehen ältere Kinder oder Jugendliche noch genauso vor, dann muss dies als auffällig gelten. In diesem Falle nehmen die Eltern, die das Kind zur Vorstellung begleiten, nicht selten eine Vermittler- bzw. Übersetzerrolle ein, denn sie verstehen ihr Kind, aber zugleich auch das Unverständnis der Umgebung. Manchmal werden derartige Interaktionsschwächen als scheinbare Halluzinationen oder wahnartige Denkinhalte missverstanden, obwohl sie eine soziale Naivität kennzeichnen.

5. Behandlung

Die Diagnose muss allen Beteiligten anschaulich vermittelt werden. Gegebenenfalls ist eine genetische Beratung erforderlich. Anschließend folgen erzieherische, therapeutische und Sozialmanagement-Aufgaben.

Erziehung
Der integrative Ansatz (normale und entwicklungsgestörte Kinder werden unter fachlicher Anleitung gemeinsam betreut) hilft den Betroffenen nachweislich mehr als die spezialisierte Betreuung tiefgreifend entwicklungsgestörter Kinder. Fehlt die fachliche Anleitung, dann werden die Kinder rasch und dauerhaft aus der Gemeinschaft ausgegrenzt. Die Anleitenden müssen die Störung auch praktisch gut kennen, Strukturen anbieten und in der Lage sein, die Kinder unmittelbar und spezifisch zu unterstützen. Intensivtrainingsmaßnahmen mit Einzel- und Gruppenkontakt widmen sich dem Einfühlungsvermögen und der sozialen Interaktion, der Initiative und Kreativität, der Kommunikation und der Sprache. Den ganzen Tag über finden 15- bis 20-minütige Aktivitäten statt. Auch ein Elterntraining gehört dazu. Das Programm muss je nach Fortschritt individuell angepasst werden. Die betroffenen Kinder profitieren von übersichtlichen und attraktiven Tagesplänen, innerhalb derer sie teilweise auch eigenständig z. B. über ihre Freizeit bestimmen können. (Intensivprogramme stellen im Internet häufig außergewöhnliche Erfolge heraus, und dies ist für viele Eltern verwirrend.) In der Familienarbeit geht es darum, einen nachvollziehbaren Entwicklungsraum zu schaffen, sich als Eltern untereinander immer gut über Aufgaben und Zuständigkeiten zu verständigen und die vielen unvermeidbaren Misserfolge gemeinsam verarbeiten zu lernen. Enttäuschung, Angst, Unsicherheit und auch Ambivalenz müssen erlaubt sein.
Gut geführte Selbsthilfegruppen dienen zur Information über Sommerferienfreizeiten, Gruppen, Heime und Behandlungen. Auch ein tiefgreifend entwicklungsgestörtes Kind nimmt das familiäre Klima wahr und empfindet mehr oder weniger Sicherheit.

Psychotherapie
Zur Abstimmung der Hilfen ist ein Spezialist auf dem Gebiet der tiefgreifenden Entwicklungs- und Bindungsstörungen nachgewiesenermaßen unabdingbar. Nur mit der entsprechenden Erfahrung können die Informationen über

  1. die Herkunft der Störung,
  2. die Symptome, Defizite und noch auszubildenden Ressourcen sowie
  3. die Ressourcen der Familie und weiterer Helfer zu einem erfolgversprechenden Programm zusammengefasst werden.

Es gibt heute viel Wissen, allerdings ist es noch wenig verbreitet. Die Behandelnden müssen sich dieser Tatsache bewusst sein, wenn sie die aktuelle Entwicklung eines Kindes beurteilen. Fehlende oder mangelhafte Angebote sind viel häufiger als der fehlende elterliche Wille, das Kind zu fördern. Aufhänger für Interventionen sollte der Alltag des Kindes (Familie, Schule, Arbeitsstelle) sein. Kurzzeitpsychotherapie oder kognitive Verhaltenstherapie können fähigeren Kindern oder Jugendlichen mit sozialen Schwächen, Ängsten oder depressiven Gefühlen helfen. (Bestimmte Sonderformen wie „Auditives Training“, „gestützte Kommunikation“ oder „Haltetherapie“ sind sehr kritisch zu sehen.) Fachleute sind erfolgreicher, wenn sie den Eltern weniger sagen, was sie tun sollten, sondern was sie auch tun könnten: „Watch, wait and wonder!“

Psychopharmakologie
Im Rahmen einer üblichen allgemeinärztlichen Versorgung ist Medikation auch heute noch häufig die alleinige Behandlung. Autismus-spezifische Medikamente gibt es nicht. Sedierung allein – durchaus hilfreich oder notwendig bei erheblichen Stimmungsschwankungen, Wutanfällen oder körperlicher Aggression – kann die Fähigkeit zur sozialen Interaktion vermindern. Manchmal verändert erst die Verbindung aus Verhaltensprogrammen, Beratung der Eltern und Medikation das Verhalten in einer Weise, wie es ohne die Medikation nicht möglich gewesen wäre. Medikation basiert auch heute eher aus Probieren im jeweiligen Einzelfall anstatt aus sicheren neurochemischen Erkenntnissen. Studienergebnisse beziehen sich in der Regel auf Erwachsene. Individuelle Behandlungsversuche auch mit Medikamenten, die noch nicht für Kinder zugelassen sind, haben sich immer wieder als hilfreich erwiesen. Neuroleptika (Haloperidol, Risperidon, Olanzapin, Quetiapin) haben sich in gut kontrollierten Studien als wirksam gegen repetitives Verhalten, Aggression, Nervosität, Angst und Depression erwiesen. Ein reiferes Sozialverhalten und die Sprache werden dadurch natürlich nicht unmittelbar verbessert. Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) können Angst, zwanghaftes oder repetitives Verhalten und Selbstverletzung sowie Depression manchmal verbessern. Überaktivität rechtfertigt manchmal einen Medikationsversuch mit Stimulanzien; dadurch können sich allerdings Zwänge oder Stereotypien verstärken. Ebenfalls kontrovers diskutiert werden Opiatantagonisten (Natrexon), Sekretin, Vitamin B6 und Magnesium. Gegebenenfalls sind Antiepileptika indiziert.

Bildung und Sozialmanagement
Beschulung und Wohnform dürfen sich nicht nur auf die messbare Lern- und Leistungsfähigkeit beziehen. Besondere relative Stärken können den Betroffenen dazu verhelfen, Schwächen in anderen Gebieten auszugleichen und sich insgesamt besser zu entwickeln. Lehrer und Mitschüler, Arbeitgeber und Kollegen bedürfen besonderer Beratung, um sich auf die individuelle Störung einzustellen. Flexibilität z. B. in Arbeitsmitteln oder Arbeitszeiten ist die Schlüsselanforderung. Mit der entsprechenden Unterstützung sollte fast jeder Betroffene eine Arbeitsstelle finden. Diese muss aber kontinuierlich betreut werden. Auch eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung muss vielfach langwierig erlernt werden. Die Hilfen müssen regelmäßig überprüft werden. Psychosoziale Auffälligkeiten bei den Eltern oder auch den Helfern im Umfeld müssen besonders aufmerksam verfolgt und nötigenfalls gesondert behandelt werden, etwa Streit unter Erziehungspersonen, Schuldgefühle oder schwindende Kräfte der Eltern.


Quelle:
http://www.diako-online.de/krankenhaus/medizinisches-angebot/kliniken/kinder-jugendpsychotherapie.html