Diabetisches Fußsyndrom

24. Februar 2015

Menschen mit Diabetes sind einem 10- bis 70-fachen erhöhtem Risiko ausgesetzt, eine Amputation im Bereich der Füße und Beine zu erleiden. Dies betrifft v. a. ältere Menschen mit Diabetes. Grund dafür ist in 70 bis 80 Prozent der Fälle ein diabetisches Fußsyndrom. Darunter verstehen wir chronische Wunden, die durch Verletzungen entstehen. Sie können sich infizieren und Gewebe zerstören, wenn sie nicht weiter beachtet werden. Im fortgeschrittenen Stadium droht eine Amputation.

Welche Ursachen sind zu nennen?

Hauptgrund ist nahezu immer ein Nervenschaden (Polyneuropathie) im Gefolge eines schlecht eingestellten Diabetes. Durch Funktionsstörung  von Schweißdrüsen und Fußmuskeln führt dies zu extrem trockener, rissiger Haut und Zehenverformungen wie Krallenzehen.

Hauptproblem der Nervenschädigung ist aber das mangelnde Schmerzempfinden: Verletzungen, Druckschäden  und Entzündungen werden oft erst gar nicht wahrgenommen oder unterschätzt. Die entzündeten Druckgeschwüre können sich daher lange Zeit unbehandelt weiterentwickeln. Vorhandene  Druckschwielen reißen und  bluten unbemerkt ein; der Bluterguss unter der festen Schwiele entzündet sich und Bakterien zerstören Unterhautgewebe und sogar Knochen.

Häufige Mitursache für eine Nervenschädigung ist chronisch übermäßiger Alkoholgenuss. Die Wunden können sich verschlimmern, wenn es neben der Nervenstörung zu Durchblutungsstörungen durch Arteriosklerose und Abflussstörungen des Blutes durch Venenschwäche oder Herzschwäche kommt.

Wie erfolgt die Therapie?

Wichtigste erste Maßnahme neben der frühzeitigen Entdeckung ist die Druckentlastung:  Patienten erhalten dafür spezielle lokal entlastende Verbandschuhe. Daneben entscheidend sind die frühzeitige Antibiotikagabe bei Infektionen und die Verbesserung von Durchblutungsstörungen durch Katheter-Techniken oder Gefäßchirurgie sowie eine ausreichende Blutzuckereinstellung.  

Das Krankheitsbild erfordert wie kaum ein anderes ein multiprofessionelles Team aus versierten Diabetologen, Fußchirurgen, Gefäßchirurgen, Katheterspezialisten, kompetenten Orthopädie-Schuhmachern, Wundtherapeuten, Diabetesberaterinnen  und – falls das schlimmste eingetroffen ist – Prothesenbauern.

Zur weiteren Behandlung ist für ältere Menschen mit Diabetes auch der Geriater mit seinem multiprofessionellen Team wichtig, um ältere Menschen trotz Fußwunden und nach Amputationen wieder auf die Beine zu bringen.

Sind die Wunden abgeheilt, müssen die Füße durch Spezialsohlen und -schuhe, die nicht immer klobig und orthopädisch aussehen müssen, vor weiteren Druckschäden geschützt werden. Dafür sollten orthopädische Sommer-, Winter- und Haus-Schuhe verordnet werden.
Ein gut unterrichteter Patient ist der beste Garant für die Verhinderung weiterer Schäden. Deshalb sind spezielle Fußschulungen ein wichtiger Bestandteil in der Vorsorge des diabetischen Fußsyndroms. Wichtiger Bestandteil ist dabei die Fuß- und Nagelpflege. Dabei lernen Patienten „scharfe“ Pflegemittel wie Hornhauthobel, Messer oder Scheren zu meiden und nur mit Feile, batteriebetriebenen Schleifgeräten oder Bimsstein zu arbeiten. Immer wiederkehrende Druckschwielen sollten Anlass geben, die Schuhe  vom verordneten Arzt überprüfen und gegebenenfalls ändern zu lassen.

Risikopatienten mit Diabetes und Polyneuropathie oder arteriellen Durchblutungsstörungen haben Anspruch auf eine regelmäßige podologische Fußpflege, insbesondere ältere Menschen, die ihre Füße nicht mehr selbständig versorgen können.
Akutbehandlung, Schulung und Versorgung mit Spezialschuhen sollte in dafür spezialisierten Schwerpunkteinrichtungen erfolgen. Auf der Website der AG Fuß der Deutschen Diabetes Gesellschaft finden Sie in Ihrer Nähe niedergelassene Diabetologen und Schwerpunkt-Kliniken mit geprüfter und zertifizierter Qualität.

 

Autor:
Dr. Jürgen Wernecke, Chefarzt Diabetologie/Geriatrie, AGAPLESION DIAKONIEKLINIKUM HAMBURG